Im Zuge der Änderungen des Vergaberechtes der Europäischen Union wurde im April des Jahres 2016 das Vergaberecht auch in Deutschland angepasst: Demnach muss die Vergabe von öffentlichen Aufträgen (Ausschreibungen) nicht mehr ausschließlich nach dem niedrigsten Preis erfolgen!
Die Neuordnung des Vergaberechts wurde durch die vielfach und lang diskutierte Zwangsprivatisierung von Trinkwasserversorgungsanlagen in einigen EU-Ländern angestoßen. Aufgrund des Protests aus Deutschland ist diese Regelung nicht in hiesiges Recht eingegangen, hat jedoch erhöhte Aufmerksamkeit aus den öffentlichen Verwaltungen erfahren. Für deutsches Recht sind demnach drei Richtlinien übriggeblieben, die in deutsches Recht übernommen worden sind.
Geänderte Schwellenwerte
Auch in deutschem Recht sind die EU-Schwellenwerte zu beachten. Diese sind zum 1. Januar 2018 geändert worden und betragen wie folgt:
– 5.548.000,00 EUR für Bauleistungen
– 144.000,00 EUR für Liefer- und Dienstleistungen bei obersten und oberen Bundesbehörden
– 443.000,00 EUR für Liefer- und Dienstleistungsaufträge im Bereich Trinkwasser, Energie, Verkehr sowie Verteidigung und Sicherheit
– 221.000,00 EUR für sonstige Liefer- und Dienstleistungsaufträge
Aufträge über diesen Schwellwerten bezeichnet man als „Oberschwellenbereich“, Auftragsvolumina unter den Grenzen als „Unterschwellenbereich“. Für Letztere gilt nunmehr die sog. „Unterschwellenvergabeordnung“ (UvGO).
Geltung des Rechts
Das Vergaberecht gilt neben den öffentlichen Körperschaften und Eigenbetrieben für alle Eigen –und Beteiligungsgesellschaften der öffentlichen Hand.
Auswahlkriterien
Neben dem Preis können die Qualität, Umwelt- und Sozialaspekte, Innovation und Lebenszykluskosten bei einer Beschaffung berücksichtigt werden. Der häufig von Beschaffer- und Anbieterseite geäußerten Kritik, dass Vergaben stets an den Bieter mit dem niedrigsten Preis erfolgen, ungeachtet der Qualität des Angebots, wurde somit Rechnung getragen.
Konfliktpotenziale bei der Vergabe
Bei Interessenkonflikten sind die Betroffenen vom Verfahren auszuschließen. Ziel ist es dabei, Vetternwirtschaft auszuschließen. Wer als Bieter versucht, einen öffentlichen Auftraggeber zu beeinflussen, oder falsche Erklärungen abgibt, läuft Gefahr, vom Vergabeverfahren ausgeschlossen zu werden. Ferner müssen alle Angebote ausgeschlossen werden, deren außergewöhnlich niedriger Preis auf Verstöße gegen Sozial-, Arbeits- oder Umweltschutzbestimmungen zurückzuführen ist. Generell sollten sich die Auftraggeber hinterfragen, ob die Arbeit bei einem ungewöhnlich niedrigen Preis noch sachgerecht und nachhaltig erledigt werden kann. Denn öfters verzögern Insolvenzen des Auftragnehmers nach der Submission die Erbringung der Leistung. Die nunmehr mögliche Zulässigkeit anderer Qualitätskriterien neben dem Preis wirkt dieser Verzögerung entgegen.
Anwendung der Vorschriften in Hessen
In einem Runderlass des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung vom 28. August 2017 wird die Anwendung der Vorschriften zusammengefasst. Demnach gliedern sich die drei Teile des Erlasses wie folgt auf:
1. Teil: Auftragswert ohne Umsatzsteuer unterhalb der EU-Schwellenwerte
2. Teil: Auftragswert ohne Umsatzsteuer gleich oder oberhalb der EU-Schwellenwerte
3. Teil: Gilt für alle Ausschreibungen in Hessen
Nachfolgend werden vor allem der 1. und 3. Teil näher beleuchtet:
Die Regelungen des 1. Teils betreffen die Vergabe von Leistungen (VOL) und Bauleistungen (VOB). Demnach können Aufträge bis zu einem Wert von 10.000,00 EUR ohne Pflicht zur Einholung von förmlichen Angeboten vergeben werden (freihändige Vergabe). Bei Lieferleistungen sind trotzdem zwei weitere Preise zu ermitteln (z.B. Internetrecherche oder fernmündliche Preisabfrage). Bei Lieferleistungen ist auch eine freihändige Vergabe möglich, wenn die Leistung schöpferische Fähigkeiten erfordert, es sich um Börsenwaren handelt oder eine vorteilhafte Gelegenheit (bis zu 50.000,00 EUR) dies notwendig macht.
Im Interssenbekundungsverfahren werden grundsätzlich mindestens drei Angebote eingeholt. Hierbei ergibt sich auch die Möglichkeit bestimmte (bekannte) Bieter zu berücksichtigen („setzen“). Wird mehr als ein Bieter gesetzt, so erhöht sich die Anzahl der einzuholenden Angebote entsprechend. Wird keine Höchstzahl der einzuholenden Angebote festgeschrieben, steht es im Ermessen des Auftraggebers nach Eingang der Angebote über die Höchstzahl zu entscheiden. Soweit Bewerber über eine Ablehnung ihrer Bewerbung informiert werden möchten, so hat dies unverzüglich (i.d.R. 15 Tage) nach abgeschlossener Prüfung der Angebote zu geschehen. Hierbei sind bei Lieferleistungen den nicht berücksichtigten Bietern die Gründe für die Ab-lehnung ihres Angebotes, die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes sowie den Namen des erfolgreichen Bieters und den nicht berücksichtigten Bewerbern die Gründe für ihre Nichtberücksichtigung zu nennen (§19 Abs. 1 VOL/A).
In dem 3. Teil des Runderlasses wird die Unterstützung durch digitale Ausschreibungn (E-Vergabe) deutlich gemacht (Hessische Ausschreibungsdatenbank – HAD). Ferner wird auf die Erklärungs- und Anfragepflicht zur Feststellung der Eignung des Bewerbers hingewiesen. Bei Aufträgen über 30.000,00 EUR wird demnach eine Auskunft aus dem Gewerbezentralregister notwendig. Eine Selbstauskunft ist hierbei nicht ausreichend.
Wenn Sie Fragen zu Ausschreibungen in Hessen haben und wissen wollen was dabei zu beachten ist, sprechen Sie uns gerne an!